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SEHNSUCHTSREGION ÉISLEK

by Reesen Mag

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REESEN wird zukünftig in loser Folge die gemeinsamen Exkursionen des Reiseautors Joscha Remus und des Naturfotografen Raymond Clement in die schönsten Teile Luxemburgs vorstellen. In dieser Ausgabe geht es zu Kormoranen an den Stausee Obersauer, in eine Tuchfabrik, zu den ältesten Kulturpflanzen der Menschheit, zu einer Muschelzucht und in einen ganz erstaunlichen Urwald im Naturpark Our.

Der Naturpark Obersauer im Ösling ist die Wasserregion Luxemburgs und der Obersauer Stausee ist sein Herzstück. An einem Morgen im Spätsommer liegt er vor uns wie mit Pastellstiften gezeichnet. Ein zarter Zauber in milchigem Blau. Der Lichtmagier Raymond Clement fängt diese Töne gerne früh morgens mit seiner Kamera ein, wenn das Licht der Natur weiche Konturen verleiht. Eine Zeit, in der man die Stille genießen kann und die Seevögel durch den Morgennebel auf den Ästen oft nur zu erahnen sind. Immer wieder gelingt es dem begnadeten Naturfotografen Clement, diese Stille in seinen Bildern einzufangen. Der Naturpark Obersauer ist längst zu einem Rückzugsort für gefährdete Tiere wie dem Steinkauz und dem Haselhuhn geworden. Am Ufer des Stausees hat Raymond einen Kormoran vor dem Objektiv. Geduldig sitzt der Vogel auf einem felsigen Vorsprung direkt am Wasser. Man ahnt, worauf es der geschickte Fischliebhaber mit seinem markanten Schnabel abgesehen hat. Jahrhundertelang wurde der Kormoran erbittert gejagt. Nun ist er in Luxemburg streng geschützt und man zählt wieder jährlich bis zu 500 dieser Wasservögel an den einheimischen Gewässern. Auch wenn der überwiegende Teil der schönen Wildvögel – die bis zu einem Meter groß werden können – das Land nur als Zwischenstopp benutzt, gehören sie nun wieder zu den sehenswerten Naturwundern der Öslinger Wasserwelten.  

Wir fahren geräuschlos mit dem Solarboot auf den See hinaus. Immer öfters sieht man im Sommer hier auch Segelboote und Wassersportler, die sich ruhig und langsam per Stand-up-Paddling über das Wasser bewegen. 

Ein Wanderweg, der in Esch-sur-Sûre beginnt, führt uns immer wieder auf Anhöhen, von denen aus man den See in voller Pracht betrachten kann (siehe Artikel „Wandern im Éislek“ auf Seite 12). Raymond erzählt mir, wie er einst den Vollmond im See fotografiert hat. Ich kenne das Foto, das wie ein Gemälde aussieht. Ein magisches Blau, einige Bäume als dunkelblauer Schatten auf der Oberfläche des Sees und der weiße Mond, der aussieht, als sei er ins Wasser gefallen. Auch vom Heißluftballon aus hat Raymond Clement den Stausee und den Naturpark bereits abgelichtet. Eine schöne Möglichkeit, den gesamten Stausee zu sehen, samt Wolkenspiegelungen im Wasser. 

Wanderungen im Naturpark Obersauer führen immer wieder zu solchen Momenten der Kontemplation. Dazu muss man nicht unbedingt in einen Heißluftballon steigen. In der jetzigen Zeit, in der man den neuen Trend des Niksen entdeckt hat, also des Nichtstuns, bietet sich das Ösling wunderbar dazu an, um einfach einmal innezuhalten, den Blick schweifen zu lassen und zu staunen. 

Duch vum Séi

Doch Staunenswertes findet man im Naturpark Obersauer nicht nur in der Natur. Denn der Naturpark Öwersauer möchte auch alte handwerkliche Traditionen der Region bewahren. Die frühere Tuchfabrik „Duch vum Séi“ beherbergt dazu eine Ausstellung und zeigt uns eindrucksvoll die Wollverarbeitung und Tuchherstellung der früheren Tage. Bei Führungen darf man die Maschinen in Aktion erleben. Die Geräuschkulisse und die Geschwindigkeit der restaurierten Textilmaschinen in der Tuchfabrik in Esch-sur-Sûre sind schon ziemlich beachtlich. Wie schön, dass man im Laden neben den verarbeiteten Wollstoffen anschließend einen schönen Wollschal oder andere regionale Produkte erwerben kann. 

Mohn und Hanf 

Wie eng die Schönheit der Landschaft, die Pflanzenwelt und die Produktion sinnvoller Produkte miteinander verwoben sind, sehen wir auch bei einem Besuch bei Norbert Eilenbecker in Kalborn. Schon frühzeitig hat der Landwirt auf regionale, umweltschonende und nachhaltige Produktion gesetzt. Und auf uralte Kulturpflanzen. Eilenbecker war der erste Landwirt, der 1995 damit begann, Hanfpflanzen anzubauen. „Einmal etwas anderes zu machen als Milchwirtschaft und Rinderzucht hat mich immer gereizt“, sagt Eilenbecker. „Mohn, Hanf, Leinsamen, Sonnenblumenkerne – all das bietet uns hier nun ganz neue Möglichkeiten.“ Seine neueste Leidenschaft ist der Buchweizen, eine für den Norden Luxemburgs typische Pflanze, aus der nun u. a. ein leckeres Bier gebraut wird. So ganz nebenbei erfahren Raymond Clement und ich, dass man zum Buchweizen, der im Luxemburgischen Wëllkar genannt wird, im Éislek Wëllt sagt. Ein schöner Nebeneffekt dieser breiten Palette an Pflanzen, die für Eilenbeckers Ourdaller Produkte verwendet werden, ist der Erhalt der Artenvielfalt. 

Wer Norbert Eilenbecker in Kalborn besucht, kann auch nicht nur Naturprodukte wie Hanfblüten-Tee erwerben, sondern auch entdecken, wie Senf hergestellt wird, eine Ölpresse funktioniert oder ihn auf einer geführten Tour auf dem Traktoranhänger über seine Felder begleiten. Wie atemberaubend schön gerade die Mohnblüten aussehen können, zeigt Raymond Clement auf seiner Fotografie zu diesem Beitrag. Wanderungen entlang der Mohnblütenfelder gehören für mich zu den schönsten Überraschungen im Norden Luxemburgs.

Flussperlmuscheln im Naturpark Our

Sehr empfehlenswert ist auch der Besuch der Kalborner Mühle, einem Wassererlebniszentrum in Heinerscheid. Hier werden in einer Muschelzuchtstation bedrohte Arten wie die Flussperlmuschel und die Bachmuschel nachgezüchtet und ausgewildert. Auf diese Weise wird auf elegante und ökologische Weise auch die Wasserqualität der Our verbessert, was wiederum allen anderen Wasserorganismen zugutekommt. Ganze vier Jahre brauchen die Muscheln, um auf eine Größe von zwei bis drei Zentimeter zu kommen. 

Unerwarteter Urwald im Norden

Abschließend erleben Raymond und ich noch eine kleine Überraschung. Wieder im Naturpark Our, beginnt am Bahnhof von Troisvierges eine spannende Rundwanderung. Der Sentier des Passeurs führt uns auf den Erinnerungsweg im Gedenken an ehemalige Fluchthelfer in der belgischen Grenzregion. Wir unterhalten uns über die Fluchthilfen für luxemburgische Widerstandskämpfer in den letzten Kriegsjahren, als Raymond plötzlich innehält: Wir stehen inmitten einer völlig wild wuchernden Natur vor moos- und flechtenbewachsenen Bäumen, die schon etwas gespenstisch anmuten. Raymond Clement ist fasziniert. Ans Weiterwandern ist erst einmal nicht zu denken. Aber kein Problem, denn sonst kämen Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt nicht in den Genuss dieser atemberaubenden Bilder.

Text: Joscha Remus

Fotos: Raymond Clement

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