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DAS SCHLOSSLEBEN IM LOIRETAL

by Reesen Mag

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Vom 14. bis 16. Jahrhundert residierten die französischen Könige am Ufer der Loire, wo es ruhiger als im „rebellischen“ Paris war. Zu Beginn der Renaissance hegte man in dieser Region eine Vorliebe für herrschaftliche Wohnsitze, die die Geschichte und die Landschaft für immer prägen würden. Der Journalist Philippe Bourget bereiste das Tal der Loire und lieSS sich von den prunkvollen, aber auch den diskreteren Schlössern in ihren Bann ziehen.

Eines Tages beschloss ich, im Sommer die Schlösser an der Loire zu erkunden. Eine Möglichkeit, sich die vor langer Zeit in der Schule gepaukte Geschichte wieder in Erinnerung zu holen, eine komplexe Geschichte mit so vielen wichtigen Daten und Epochen. Wer lebte wann wo? Welche künstlerischen Vorlieben hatten die Könige? Welche Dramen, Liebeleien und Intrigen spielten sich dort ab? 

Eine Reise in das Loiretal ist gleichbedeutend mit einer Reise in die Vergangenheit, in eine Zeit, als die Könige Frankreich prägten. Eine Reise, um die Geschichte (neu) zu begreifen. So weit, so gut –  aber welche Schlösser sollte man nun gesehen haben? In der Loire gibt es über tausend Herrenhäuser, Landsitze und Schlösser. Die UNESCO hat im Jahr 2000 das Tal der Loire zwischen Sully-sur-Loire und Chalonnes in das Weltkulturerbe aufgenommen. Das entspricht 280 km vom Osten Orléans bis zum Westen von Angers, geprägt von einer herausragenden Landschaft, Dörfern und den prunkvollsten Schlössern der Loire. Also geht es flussabwärts auf Erkundungstour.

1. Sully-sur-Loire, das gewagte Schloss

Das ist das erste Schloss auf meiner Route … und es steht bereits für das Ende der königlichen Epoche im Loiretal! Diese Festung mit mittelalterlichem Burgfried („donjon“) und schiefergedeckten Türmen war der Wohnsitz des Herzogs von Sully, der Finanzminister Heinrichs IV., und wurde am Zusammenfluss von Sange und Loire errichtet. Der Schatzmeister, der das Schloss 1602 erwarb, arbeitete für einen König, der bereits wieder nach Paris zurückgekehrt war. Heinrich III. hatte noch in Blois residiert. Das Schloss, in dem Johanna von Orléans und der spätere König Ludwig XIV. logierten, besitzt einen schönen Ehrensaal und ein Schatzkabinett. Und im Park erfahre ich, dass Voltaire hier zwei seiner Tragödien uraufführen ließ.

2. Chambord, das majestätische Schloss

Das ist das „Schloss der Schlösser“, das den Hochmut und den Ehrgeiz von Frankreichs Königen und vor allem von Franz I. widerspiegelt. Ein kühner Renaissance-Bau, der seinesgleichen sucht. Ein immenser Steinkoloss, verrückter noch als das Schloss von Versailles. Allein bei den Zahlen wird einem schwindelig: 426 Zimmer, 282 Kamine, 77 Treppen. Als junger Mann kam Franz I. während einer Jagd in diese Gegend. Er verliebte sich in die Landschaft und gab 1519 den Startschuss zu einem Wahnsinnsprojekt. 40 Jahre brauchte es, um das Schloss zu bauen, die Räume auszustatten … und sogar einen Fluss umzuleiten – mit der Loire hatte das nicht funktioniert. 800 Zeichnungen von Salamandern, dem Emblem von Franz I., gehören zum Dekor.

3. Blois, das Schloss der vielen Epochen

Blois ist eines der bekanntesten Schlösser im Loiretal und vereint Bauwerke aus vier Epochen in einer Anlage. Jeder König Frankreichs hat hier Umbauten und Erweiterungen vornehmen lassen. 1498 wurde Ludwig XII. König und machte aus Blois die Hauptstadt des Königreichs. Das mittelalterliche Bauwerk, das über die Loire ragt, wurde zum Königspalast. Jeder Flügel steht für eine bestimmte Epoche: zwei sind Ludwig XII. zugeschrieben, jeweils einer Franz I. (Loggia und Renaissance-Treppe – welch Finesse!) und Gaston von Orléans. Ein Drama sollte das Schicksal von Blois besiegeln: die Ermordung des Herzogs von Guise durch Heinrich III. 1588. Das ewige Ringen um die Macht …

4. Amboise, das künstlerische Schloss

Das über Loire und Stadt ragende Schloss Amboise war von Karl VIII. bis Heinrich II. und unter Louis-Philippe königliche Residenz. Der Palast berührt mich mit seinen zwei fantastischen Fassaden aus der Spätgotik und der Protorenaissance, die stark an Leonardo da Vinci erinnern. Das Genie aus Florenz verweilte hier auf Einladung von Franz I. von 1516 bis 1519. Seine (vermuteten) sterblichen Überreste ruhen in der Kapelle. Gesehen habe ich aber eigentlich nichts: Ein Modell aus dem Jahre 1577 zeigt, dass das teilweise im 17. und 19. Jahrhundert zerstörte Schloss ursprünglich fünfmal größer war! Auf der bis zum Fluss reichenden Esplanade denke ich an Katharina von Medici, die die italienische Lebenskunst nach Amboise brachte.

5. Chenonceau, das elegante Schloss

Als ich in Chenonceau ankomme, denke ich an die Rivalität zwischen Diane de Poitiers und Catherine de Médicis. Chenonceau, das über den Cher gebaut wurde (einzigartig in der Region!) ist ein Schloss der Frauen. Seine Eleganz beweist es. Die erste Frau, die Geliebte von König Heinrich II., ließ den großen Park anlegen und vom Wohntrakt aus eine Brücke über den Fluss errichten. Die zweite Frau, die betrogene Ehefrau von Heinrich II., übernahm Chenonceau bei dessen Tod und verwies Diane de Poitiers nach Chaumont-sur-Loire. Sie ließ die berühmte zweigeschossige Galerie auf der Brücke errichten, die dem Schloss diese absolute Eleganz verleiht. Mein Favorit im Loiretal! 

6. Azay-le-Rideau, das verzückende

Da das Schloss auf einer Insel eines Seitenarms des Indre umgeben von Wasser steht, ist die Parallele zu Chenonceau schnell gezogen. Für mich sind die beiden die schönsten Schlösser der Renaissance in dieser Gegend. Der Park im englischen Landschaftsstil, wo sich das Schloss in den Wasserflächen spiegelt, versprüht einen unglaublichen Charme. Ich bewundere die wunderschöne Treppe des Ehrenhofs mit ihren Doppelfenstern mit Loggias und edlen Dekorationen, die Joche der Fenster und Öffnungen mit Pilastern, die Privatgemächer mit ihren Wandteppichen, die an den „italienischen“ Stil der Epoche erinnern. Selbst die im 19. Jahrhundert hinzugefügten Schmuckelemente konnten dem ursprünglichen Charme nichts anhaben.

Autor : Philippe Bourget

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