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Biarritz – Von der Kühnheit geküsst

by Reesen Mag

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Wellenreiten vor traumhafter Kulisse: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts zieht Biarritz die Brettsportfans magisch an und hat sich einen Namen als europäische Surf-Hauptstadt gemacht. Doch das ist längst nicht alles, was die Stadt zu bieten hat. Biarritz nahm seinen Anfang als Walfänger-Dorf und entwickelte sich unter Kaiserin Eugénie zur Thermalstadt weiter. Das eklektische, erhabene Architekturerbe zeugt von der reichen Geschichte der Stadt.

Victor Hugo verfiel bei seinem ersten Besuch in Biarritz dem Charme der wilden, rohen und ungezähmten Schönheit der Landschaften, der gischt-umspülten Felsen, der Dünen und ausgedehnten Heidelandschaften. Allerdings befürchtete der Schriftsteller, dass die Stadt „in Mode kommen“ und somit ihren Charme und ihr Feuer einbüßen würde. In diesem Jahr, 1843, hatte Biarritz ihren Wandel gerade erst begonnen. Schon bald sollte ein wahrer Hype über die Destination einbrechen, der bis heute andauert. 

Das Fischerdorf Biarritz lebte ab dem 12. Jahrhundert vom Walfang. Als die Meeressäuger in der Mitte des 17. Jahrhunderts ausgerottet waren, musste sich die Stadt neu erfinden und machte sich die Schönheit des Ozeans zunutze. Baden im Meer galt zu jener Zeit als Heilmittel für diverse Leiden – eine perfekte Gelegenheit also, um auf diesen Zug aufzuspringen. Ab 1784 fand Meeresbaden massenhaft Anklang. Die Geschichte hätte hier enden können und Biarritz wäre ein kleines Hafenstädtchen geblieben, das vor allem bei spanischen Urlaubsgästen hoch in der Gunst stand.

Biarritz ist für seine Mischung aus verschiedenen architektonischen Stilen bekannt. Der Geograf Roger Brunet bezeichnet die Stadt als „ein Museum des Badekitschs“.

Nur befand sich unter diesen Gästen eine gewisse Eugénie de Montijo, die gebürtig aus Granada stammte und oft mit Mutter und Schwester Badeurlaube in Biarritz verbrachte. Man erzählt sich, sie sei eine unerschrockene Schwimmerin gewesen. So soll sie im Juli 1850 fast ertrunken sein, als eine Strömung sie hinaus aufs Meer zog. Die junge Frau konnte jedoch von zwei Basken gerettet werden. Beirren ließ sie sich von diesem Vorfall aber keineswegs. Sie schenkte dem Badeort auch weiterhin ihre grenzenlose Liebe. Als sie Napoleon III. heiratete und Kaiserin Eugénie wurde, wählte sie Biarritz als Sommerurlaubsort. Im Sommer 1854 kaufte sich das Paar ein Grundstück, auf dem schon bald die Villa Eugénie, der Sommerwohnsitz des Kaiserpaares, gebaut werden sollte. Ein Feuer, das in der Nacht des 1. Februar 1903 im Dachgeschoss der Villa ausbrach, zerstörte dieses architektonische Schmuckstück. Innerhalb von nur drei Stunden hatten sich die Flammen durch das gesamte Gebäude gefressen. Im selben Jahr wurde die Ruine der Villa Eugénie von Alfred Boulant gekauft, der bereits zwei Kasinos in der Stadt besaß. Er ließ das Hôtel du Palais errichten, das heute zur Hyatt-Gruppe gehört.

Die Grande Plage zwischen dem Hôtel du Palais und dem Rocher du Basta, überragt vom Hortensienhügel, ist der Hauptstrand von Biarritz.

Dank der Gegenwart des kaiserlichen Ehepaares wurde Biarritz bei der High Society zur angesagten Destination. So kam 1865 beispielsweise Bismarck hierher, um ein Übereinkommen in der französischen und russischen Politik herbeizuführen, das den Weg für den internationalen Tourismus ebnen sollte. Seitdem thront eine orthodoxe Kirche stolz unweit des Grande Plage. Es folgte ein unglaubliches urbanes Wachstum: Badeinfrastrukturen, Strandpromenaden, Luxushotels und vor allem Villen wurden gebaut. Nur die Crampottes, die typischen Fischerhäuser der Stadt, erinnern noch an die bescheidene Vergangenheit. Einige von ihnen sind erhalten geblieben und wurden zu Bars und Restaurants in Strandnähe umgebaut.

Bis zum 17. Jahrhundert war Biarritz ein Fischerdorf. Heute werden zwar keine Wale mehr gejagt, aber es wird immer noch geangelt!

Eins der imposantesten Gebäude ist hingegen die ikonische Villa Belza, ein Werk des Architekten Alphonse Bertrand. Mit ihrem rechteckigen Grundriss und dem neomittelalterlichen Bergfried überblickt sie majestätisch und stolz den Ozean. Um dieses traumhafte Bauwerk ranken sich Geschichten und Legenden – es ist fast so bekannt wie der Leuchtturm von Biarritz mit seinen 248 Stufen.

Der Leuchtturm von Biarritz (1834 erbaut) überragt mit seinen 73 m das Kap Hainsart. Um ganz nach oben zu gelangen, müssen Sie die 248 Stufen hinaufsteigen.

Auch der Jugendstil fand später seinen Platz im architektonischen Gefüge von Biarritz: Das Casino Bellevue und die Villa Cyrano sind dafür zwei wunderbare Beispiele. 

Die disruptiven Villen „Marrakech“ und „Casablanca“, 1922 von Guillaume Tronchet errichtet, bezaubern ihrerseits mit maurischem Flair. Beide wurden von großen Namen der Modewelt bewohnt: So zeichnete Jean Patou in der Villa Casablanca seine Zwischensaison-Kollektionen und Paul Poiret kreierte seine ersten korsettlosen Kleider mit hoher Taille in der Villa Marrakech. Patou und Poiret sind jedoch längst nicht die einzigen Modeschöpfer, die sich von Biarritz inspirieren ließen. Coco Chanel, die von der sportlichen und piekfeinen Atmosphäre der Stadt begeistert war, eröffnete hier 1915 ihre dritte Boutique sowie ein Atelier mit 60 Schneiderinnen. Die Boutique ist zwar seitdem umgezogen, besteht aber immer noch. Hals über Kopf verliebt in die Stadt war auch Jeanne Lanvin: Im Hôtel Regina zeichnete sie ihren ersten Einteiler-Badeanzug.

Die Villa Belza wurde zwischen 1880 und 1895 erbaut und ist für ihren neogotischen Stil bekannt. Eduard VIII. verbrachte hier gerne seine Abende, als die Villa von ihrem Besitzer Gregory Beliankin, dem Schwager von Igor Strawinsky, in „Le Château Basque“ umbenannt wurde.

Kühnheit war also schon immer eins der Aushängeschilder von Biarritz – lange bevor Peter Viertel das erste Surfbrett aus Kalifornien in die Stadt importierte … Aber das ist eine andere Geschichte!

Text: Sarah Braun

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