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Zugegeben, ich war etwas skeptisch, ob mich die Alhambra tatsächlich in ihren Bann ziehen würde. Schließlich war es vor allem dieses wunderbare Bauwerk, das mich nach Granada gelockt hat, an einem trüben Wochenende im März. Wobei der Begriff Wochenende bei einem Hinflug am Sonntag nicht so ganz zutrifft, aber das ist nun wirklich Nebensache.
Granada heißt mich mit bestem Frühlingswetter willkommen und nicht minder liebenswürdig ist der Empfang im Hotel. Das Alhambra Palace, in dem ich zwei Nächte gebucht habe, punktet mit einer Wahnsinnslage am Hang, in Fußnähe zur Alhambra, mit schönen Räumen, alten Holzböden und renovierten Zimmern. Wer allerdings trendige Hotels mit Designsofas und kultigen Badeprodukten mag, ist an dieser Adresse fehl am Platz. Dafür gibt es hier gediegenes Ambiente und authentische, ritterliche Eleganz, wie es sich für ein historisches Traditionshaus gehört.
Mit einem (vor über drei Monaten!) vorbestellten Eintrittsticket für die Alhambra in der Tasche mache ich mich am darauffolgenden Tag auf den Weg. Obwohl es noch nicht einmal Mittag ist, liegen die Außentemperaturen bereits bei über 20 °C, was, wie der sympathische Taxifahrer erklärt, selbst für Andalusien in dieser Jahreszeit ungewöhnlich hoch ist. „No es normal!“, fügt er hinzu, doch für die anschließenden Ausführungen zum Klimawandel reicht mein Schulspanisch definitiv nicht aus. Ich verkneife mir die Bemerkung, wie wunderbar ich es finde, Anfang März bei frühsommerlichen Temperaturen seine Heimatstadt zu entdecken, statt zuhause bei 7 °C und Regen auf den Frühling zu warten.
Tausend und eine Nacht
Zur Alhambra-Besichtigung treffe ich trotz Nebensaison auf wahre Besucherströme. Die einmalige Burg- und Palastanlage, die vor über 1.000 Jahren entstand und seit 1984 zum Weltkulturerbe gehört, ist eines der meistbesichtigten Baudenkmäler weltweit. Sie lieben maurische Baukunst? Dann tauchen Sie mit mir für ein paar Stunden in eine Welt aus 1001 Nacht ein, die sich Ihnen bei der Besichtigung der Alcazaba-Zitadelle, den Nasriden-Palästen und den Generalife-Gärten öffnet. Lassen Sie sich vom Löwenpalast mit dem bekannten Löwenbrunnen bezaubern! Bewundern Sie die Fresken und Mosaiken im islamischen Stil – sie sind formvollendet und unendlich schön.
Wenn Sie an der Westseite der Alcazaba die beeindruckende Torre de la Vela hinaufsteigen, werden Sie mit einem wunderbaren Blick auf die verschneiten Bergspitzen der Sierra Nevada belohnt. Die Magie dieses Ortes ist in jeder Ecke spürbar.
Ich frage mich, welches Viertel von Granada den besten Blick auf die rote Palaststadt zu bieten hat, und beschließe, am darauffolgenden Tag auf Erkundungstour zu gehen.
Die Vielfalt der Altstadt Granadas
Am Abend schlendere ich zu Fuß Richtung Altstadt. Ich wundere mich, wie viel an einem Montagabend hier los ist. Doch schließlich ist Granada nicht nur eine bekannte Touristendestination, sondern ebenfalls eine beliebte Studentenstadt. Über 80.000 Studenten leben in der 240.000-Einwohner-Stadt und füllen die engen Altstadtgassen mit einem vibrierenden Nachtleben. Es gibt unzählige Straßencafés, Terrassen und Tapas-Bars, sei es um die Plaza Nueva, die Kathedrale, die Gran Vía, den Paseo de los Tristes oder etwas außerhalb im Alarcón-Viertel. Kontakt bekommt man leicht und Spanischkenntnisse sind willkommen. Und bitte nicht vergessen, nach mindestens jedem dritten Satz „Vale“ zu sagen, sprich „okay“, dann gelten Sie schon fast als Einheimischer!
Ich schaffe es, am darauffolgenden Tag bereits vor zehn Uhr im Taxi zu sitzen. Ziel ist das Einödkloster San Miguel Alto, von dessen Hügeln ich mir die beste Aussicht auf die Alhambra erhoffe.
Von der Iglesia San Salvador aus erklimme ich zu Fuß die steilen Gassen Richtung Ermita. Coole Saxophonklänge aus verfallenen Casas, Graffitis auf alten Bunkerwänden und lässige Aussteigertypen sind ein klares Indiz dafür, dass mein heutiges Ziel wohl nicht im klassischen Granada-Programm auftaucht. Als ich mich dem höchsten Punkt der zur Ermita führenden Calle Patio de la Alberca nähere, erwartet mich etwas ganz Besonderes: Ein Treffpunkt von jungen Leuten, von Verliebten, von Künstlern, von Suchenden und Gestrandeten, von Nachbarn, von Freunden. Ich fühle mich privilegiert, dass ich als zufälliger Besucher dazugehören darf.
Die Aussicht ist atemberaubend. Am Hang hinter der Kirche sehe ich, dass sich ein paar Freaks mit gebrauchten Möbeln und primitiven Blechstrukturen ein kleines Zuhause eingerichtet haben. Einer von ihnen winkt mir freundlich zu. Ich rufe ihm spontan zu: „Tienes la mejor vista del mundo!“ Wahrlich die beste Aussicht der Welt …
Meine nächste Etappe ist der Mirador de San Nicolás im UNESCO-geschützten Albaicín-Viertel. Rümpfen Sie ruhig die Nase, weil Sie sich wie auf dem Markusplatz in Venedig fühlen … ein Geheimtipp ist das hier nicht. Aber einmalig allemal.
Während ich den Rückweg Richtung Altstadt antrete, fällt mir ein hölzernes Tor auf, hinter dem ich eine schöne Aussicht auf die Alhambra vermute. Tatsächlich präsentiert sich von der großen, sonnigen Terrasse aus die Alhambra auf dem gegenüberliegenden Hügel in ihrer ganzen Pracht. Das In-Lokal „El Huerto de Juan Ranas“ könnte perfekter nicht sein: Bistrotische, Lounge-Sofas, freundliche Kellner und eine kleine Bar mit obligatorischer Zapfanlage. Ich bestelle eine eiskalte Alhambra-Cerveza, eine Gazpacho und Croquetas al jamón und fühle mich wie im Paradies.
Mein kleiner Tagesausflug, der all meine Erwartungen gänzlich übertroffen hat, neigt sich dem Ende zu.
Über die pittoresken kleinen Gassen mit ihren weiß getünchten Häuserfassaden und mediterranen Dorfplätzen mit Orangen- und Mimosa-Bäumen gelange ich zur Plaza Nueva, von wo aus ich zurück zum Hotel und weiter zum Flughafen fahre. Als Abschiedsgeschenk kaufe ich mir Washington Irvings berühmte „Tales of the Alhambra“ und verstehe, warum das Lesen dieser wunderbaren Erzählungen und der Blick auf die Alhambra in der Mittagsstunde mir fast mehr bedeuten als die Besichtigung des Meisterwerkes selbst: weil ich sie diese beiden Male mit niemandem teilen muss.
Text: Nikki Bonnal
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