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AUF DEN SPUREN DER MEISTER DES GLASKUNSTHANDWERKS

by Reesen Mag

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An der Grenze zu Elsass und Lothringen kennt man die Glasbläserkunst seit dem Mittelalter. In Lalique, Saint-Louis und Meisenthal pflegt man diese Tradition des Kunsthandwerks noch heute. 

Nicht weit von Luxemburg entfernt befindet sich in der französischen Region Grand Est, zu der vor einigen Jahren das Elsass, Lothringen und die Champagne-Ardenne zusammengefasst wurden, ein kleines Fleckchen Erde, wo eine jahrhundertealte Kultur mit viel Leidenschaft weiter gepflegt wird: Die Glasbläserei und -schleiferei. Wir befinden uns hier am Rande von Bas-Rhin und Moselle, im Norden der Vogesen, an der berühmten „blauen Linie“, die durch tiefe Wälder reicht bis hin zur Elsässischen Tiefebene. Hinter Bergen und Hügeln verstecken sich auf einem überschaubaren Gebiet drei bemerkenswerte Beispiele dieses traditionellen Kunsthandwerks: Lalique, Saint-Louis und Meisenthal. 

Das Musée Lalique: reine Schönheit

Unsere Reise nimmt in Wingen-sur-Moder ihren Anfang. In diesem weitläufigen Dorf im äußersten Westen des Elsass entsteht das Lalique-Kristallglas. In einer ehemaligen Glasbläserei aus dem 18. Jahrhundert hat der Gründer des Hauses René Lalique, der zuvor bereits für seinen Schmuck und die Parfum-Flakons Bekanntheit erlangt hatte, 1921 seine Werkstatt eingerichtet. Wer in Paris Karriere gemacht hat, entscheidet sich nicht zufällig für die Vogesen als neue Heimat. Hier kann er auf ein lokales, jahrhundertealtes Fachwissen zurückgreifen, das bereits seit dem Mittelalter besteht, als fast jedermann Glas blasen und schleifen konnte. Dass dieses Kunsthandwerk gerade hier so florierte, ist auch dem üppigen Vorkommen von Holz und Sand zu verdanken. Mit dem Holz beheizt man die Öfen. Aus Sand stellt man Glas her. In der ehemaligen Glasbläserei befindet sich heute das Musée Lalique, das 2011 vom Star-Architekten Jean-Michel Wilmotte (der unter anderem den Sitz von ArcelorMittal in Luxemburg-Stadt gestaltet hat) modernisiert wurde. Hier kann sich der Besucher voll und ganz auf das außergewöhnliche Abenteuer dieser Marke einlassen. Und von Schönheit in ihrer absoluten Vollendung träumen … 

Saint-Louis, glühende Manufaktur

Vasen, Flakons und Glasskulpturen: Die Anmut und Qualität der Kreationen des Hauses Lalique, das 1945 von Glas auf Kristall umgestiegen ist, suchen ihresgleichen. Die aktuelle Produktionsstätte ist die einzige dieser Marke weltweit. Sie wurde von einem Schweizer Konzern übernommen. Die am Ortsausgang befindliche Glashütte kann man zwar nicht besichtigen, aber im Museum zeigt ein Film das Glaskunsthandwerk in all seinen Facetten und erzählt, wie die Marke Lalique zu der Legende werden konnte, die sie heute noch ist. Vor allen Dingen wegen der Bacchantes-Vasen und dekorativen, ungefärbten Gläser ist die Luxusmarke vielen ein Begriff. 

Wer Glasbläser live bei der Arbeit beobachten möchte, muss nach Moselle. Im engen Tal, von Wäldern umgeben, wird man im Ort Saint-Louis-lès-Bitche schnell fündig. Der Besucher darf nämlich bis ins Zentrum der Manufaktur und dort nach Herzenslust staunen! In drei Schichten wird in einer lauten und unerträglich heißen Werkstatt hier das Kristall (Glas mit Bleioxid) bearbeitet. Der 1.200 °C heiße, rote Glasbrei, der aus dem Ofen kommt, wird sofort geblasen, um hochwertige Gläser zu formen. In der Werkstatt für die Zwischenlagerung zaubern Goldschmiede aus den Kristallkugeln wahre Wunderwerke. Das „erkaltete Glas“ wird von geschulten Meistern geschliffen, poliert und freihändig mit unglaublicher Fingerfertigkeit mit Gravuren versehen. Hier entstehen einzigartige Vasen, Kronleuchter und Gläser. 

Von Ludwig XV. bis Hermès

Seit 1989 gehört die Luxusmarke aus Saint-Louis zum Besitz des Konzerns Hermès. Die Ursprünge reichen jedoch bis ins 18. Jahrhundert zurück. 1767 wird die Glasbläserei zur „Königlichen Glaserei“. Pierre Nierengarten ist bei unserem Besuch unser Guide. Er arbeitet seit vierzig Jahren hier. Zwar merkt man ihm die typisch lothringische Bescheidenheit an, seinen Stolz kann er dennoch nicht verbergen, als er erklärt, dass das Unternehmen auch aktuell Personal einstellt und 80 % seiner Produktion exportiert – in erster Linie in den Mittleren Osten. 

In Saint-Louis sollten Sie auch unbedingt dem Museum einen Besuch abstatten. Der Weg durch die Ausstellung ist unter einem gigantischen Kronleuchter spiralförmig angeordnet. Hier geht es in erster Linie um die Kunstwerke aus diesem Hause, darunter auch die berühmte Versailles-Vase. 

Nicht weit von hier, in Meisenthal – und damit ebenfalls im Département Moselle –, lebt die Tradition nicht im Kristall fort, sondern im Glas. Aber was für ein Glas! Nach fast drei Jahrhunderten hatte die Glashütte 1969 ihre Tore schließen müssen, weil sie angesichts der niedrigpreisigen Konkurrenz keine Chance hatte. Aber mit lokaler Energie kehrte das Leben zurück in die Mauern der Glashütte Mei-senthal. Mit der Eröffnung des Museums und der Reaktivierung des Ofens im Jahr 1992 zeigt sich die Glashütte heute, im Jahr 2021, in frischem Gewand, mit einem neuen Empfangsgebäude, dem in einen Ausstellungsraum und Konzertsaal umgebauten „Hall verrière“ und einem internationalen Zentrum für Glaskunsthandwerk. Hier kann man den Glasmeistern bei der Arbeit mit dem Feuer zusehen. Die einzelnen Gebäude sind durch eine „Betonwelle“ miteinander verbunden. Der Ort trägt damit eine charakteristische architektonische Handschrift. Das Projekt ist allerdings erst dann völlig abgeschlossen, wenn das Museum nach seiner Renovierung im Jahr 2022 seine Pforten für die Besucher öffnet! 

Meisenthal – verrückt nach Christbaumkugeln!

Das Kunst- und Kulturzentrum ist an die Stelle der ehemaligen Glashütte gerückt, die eine der Geburtsstätten der Jugendstil-Gläser war. Verantwortlich hierfür zeichnet der aus Nancy stammende Glasmeister Emile Gallé, der von 1867 bis 1894 seine Werke hier anfertigen ließ. Mittlerweile hat man bei der Glashütte Meisenthal ein weiteres Markenzeichen neu aufgelegt, das sich größter Beliebtheit erfreut: die Christbaumkugeln. Fast 30.000 Menschen strömen jedes Jahr von Mitte November bis Ende Dezember in das Dorf, um in romantischer Weihnachtsstimmung zu schwelgen. 

Auch wenn das lokal gepflegte Kunsthandwerk ein prima Alibi für eine Reise in die Region hergibt, hat sie noch sehr viel anderes zu bieten. Und so wäre es jammerschade, sich die lokale Natur und Kultur entgehen zu lassen. 

Meisenthal liegt knapp eine Autostunde von Straßburg entfernt. Hier, in den tiefen Wäldern der Vogesen, hat man die typischen Fachwerkhäuser in den kleinen, elsässischen Dörfern schon bald hinter sich gelassen. Schnell ist man hier auf 581 Höhenmetern (Le Grand Wintersberg). Der ideale Ausgangspunkt also für Wanderungen und Ausflüge in die Umgebung. Bei Entdeckungstouren auf den Spuren der reichhaltigen kulturellen Vergangenheit der Region machen wir uns auf zur Festungsanlage Lichtenberg bis nach Lützelstein mit seiner Burg (frz.: La Petite Pierre). Ebenfalls sehenswert sind die Felshäuser von Graufthal und die Zitadelle von Bitsch. Kultur, Natur und Kunsthandwerk: Gründe genug, eine Reise in dieses kleine Gebiet im Nordosten Frankreichs zu unternehmen. 

Lichtenberg – Sandstein trifft auf Design 

Von der Schlossanlage aus dem 13. Jahrhundert sind nur einige Grundmauern erhalten. Zunächst besetzten sie die Soldaten unter Ludwig XIV., später wurde sie zum Verteidigungsposten gegen das Heilige Römische Reich deutscher Nation. Zerstört wurde die Anlage schließlich 1870 durch die Preußen. Erst in den 1990er Jahren wurde wieder aufgebaut. Dabei bewiesen die Verantwortlichen Mut. Die mittelalterlichen Grundmauern dienten als Fundament moderner Elemente. Ein Beispiel hierfür ist die außergewöhnliche Gestaltung des Theaters der Anlage. Vom Turm dieses Schlosses, das zu einer Kulturstätte und zu einem Touristenmagneten geworden ist, erschließt sich Ihnen ein unbeschreibliches Panorama auf den Ort und die Vogesen.

Text & Fotos: Philippe Bourget

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