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AUF DEM SHIKOKU HENRO ODER PILGERPFAD DER 88 TEMPEL

by Reesen Mag

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Ein Reisebericht des wanderfreudigen Unternehmers Brice Dondelinger aus Luxemburg.

Der Shikoku Henro ist ein etwa 1.200 km langer Rundweg und Pilgerpfad zu den 88 heiligen Orten und buddhistischen Tempeln, die die japanische Insel Shikoku ihren Besuchern zu bieten hat. 

Ich bin nicht sonderlich religiös, genieße aber die Ruhe bei Fernwanderungen und besonders bei langen Pilgerwanderungen. Durch zahlreiche Wegmarkierungen gab es kein Verlaufen. Auch ein Nachtquartier war einfach zu finden. Man kann sich also ganz dem Zauber dieses weltweit einzigartigen Pilgerwegs hingeben.

Auch wenn der Shikoku Henro in Japan als Pilgerweg äußert beliebt ist, kommen, da die meisten Tempel mit dem Auto, Bus oder Zug erreichbar sind, viele Japaner nicht zu Fuß. Daher traf ich während meiner fünfwöchigen Wanderung einzig zwei andere Pilger, die so wie ich zu Fuß pilgerten.

Die Insel beeindruckt durch ihre atemberaubende landschaftliche Schönheit wie auch ihre architektonischen Kostbarkeiten buddhistischer Sakralkunst. Die größte Entdeckung war allerdings die ehrwürdige Kultur des Osettai. Dem Brauch nach erhält man als Pilger unterwegs immer wieder kleine Geschenke. Viele Male schenkte man mir Obst, Süßes oder lud mich zum Tee oder Mittagessen ins Haus ein. Was einst asketische Pilger auf ihrem Weg unterstützen sollte, erlaubt dem Pilger von heute vor allem, andere an seinem frommen Werk teilhaben zu lassen.

Es war ergreifend, derartige Großzügigkeit und Wärme zu erfahren, die ich so nicht erwartet hatte. Wahrscheinlich die schönste Erinnerung an meine Shikoku-Zeit.

TEMPEL NR. 1: KONSENJI

Die Tempel müssen nicht in einer bestimmten Reihenfolge besucht werden. Die einfachste Art, um von Europa zur Insel Shikoku zu gelangen, ist, den Flieger zum internationalen Flughafen Osakai-Kansai zu nehmen und von dort mit dem Bus nach Tokushima weiterzufahren. So kann man tatsächlich seine Pilgerwanderung an Tempel Nr. 1 beginnen und außerdem den Laden aufsuchen, der die Pilgerkleidung verkauft. Wer die Pilgerkleidung trägt, wird erkannt und von den Einheimischen mit Osettai begrüßt und verwöhnt.

TEMPEL NR. 12: SHOSANJI

Mit 705 m über dem Meeresspiegel ist Tempel Nr. 12 der zweithöchstgelegene der Strecke. Der Anstieg ist zwar etwas mühsam, wird aber durch ein absolut sehenswertes Panorama belohnt. Der Tempel bietet traditionelle japanische Unterkünfte mit Tatami und Futonbett, köstlichem Abendessen und Frühstück sowie Zugang zum Ofuro, dem typisch japanischen Bad. Wenn Sie etwas Zeit haben, nehmen Sie hinter dem Tempel den schmalen Pfad, der Sie bis zum Gipfel des 938 m hohen Shozanjiyama führt.

TEMPEL NR. 23: YAKUŌJI

Jeder Tempel hat seine eigene Geschichte, Aufgaben und Rituale. Tempel Nr. 23 lädt zum besinnlichen Verweilen und Beten ein. Kleine Geldspenden werden hier gerne auf einer der 42 Stufen für Männer und 33 Stufen für Frauen hinterlegt. Die Stadt Hiwasa verfügt außerdem über ein Informationszentrum für Touristen, wo ich eine der wenigen englischsprachigen Personen vor Ort traf. Als Dank für ein Interview mit mir als Ausländer auf dem Henro seitens der Lokalzeitung organisierte die Dame eine Übernachtung bei einer Familie im Ort. Auf diese Weise verbrachte ich einen unvergesslichen Abend beim Essen und Trinken mit japanischen Fischern in ihrem rostigen Schuppen, bevor ich bei meiner Gastfamilie in ihrem Familienheim japanische Gastlichkeit vom Feinsten erleben durfte. 

ZUM THEMA ESSEN

Das Schwierigste beim Essen, wenn man nicht Japanisch spricht, bleibt, nicht zu wissen, was man gerade bestellt oder, anders gesagt, wie man bestellt, was man gerne möchte. Eine bekannte Spezialität der Präfektur Kagawa sind die quadratischen Sanuki-Udon-Nudeln in heißer Brühe – mein bevorzugter Mittagssnack, den ich mittlerweile sogar richtig bestellen und essen kann. Abendessen und Frühstück waren bei meinen Übernachtungen in den Tempeln, Minshuku und Ryokan stets inbegriffen. Je nach Präfektur wurde ich mit immer neuen, frisch zubereiteten lokalen Spezialitäten überrascht.

TEMPEL NR. 75: ZENTSŪJI

Zentsūji ist der Geburtsort von Kōbō Daishi. Dabei handelt es sich nicht nur um eine einfache Tempelanlage, sondern eine wahre Miniaturstadt mit ihren Sehenswürdigkeiten und kleinen Gässchen. Eine meiner Lieblingserinnerungen aus Zentsūji ist und bleibt der 90 m lange Tunnel Kaidan-meguri unter der Haupthalle, den man in völliger Dunkelheit bedächtig barfuß durchschreitet. Die Schuhe sollten immer leicht auszuziehen sein, da man dies beim Besuch der historischen Gebäude der Insel bis zu mehrmals am Tag tun muss. Saubere Socken ohne Löcher sind dabei ein weiteres Muss.

TEMPEL NR. 82: NEGOROJI

Der wunderschöne Tempel Negoroji liegt mitten im Wald und ist für die Reste eines über 1.000 Jahre alten heiligen Baums bekannt. Eine interessante Übernachtungsmöglichkeit ist Zen-kappa-Dōjō. Die Unterkunft ist nicht besonders einladend, aber man kann morgens an einer 60-minütigen Zen-Meditation teilnehmen. Ein Zen-Meister überwacht dabei die Sitzung und korrigiert die Haltung mit einem Stock, sobald die Gedanken abschweifen.

TEMPEL NR. 88: ŌKUBOJI

Vor Erklimmen des letzten Gipfels, dem Nyotai-san, zum letzten Tempel Ihrer Pilgerreise, erwartet Sie das Museum der Pilgergemeinschaft von Shikoku. Ein Ort der Entspannung, an dem man andere Pilger trifft und bestaunen kann, was der eine oder andere auf seine Reise mitgenommen hat. Nach Überprüfung und Abstempeln Ihres Pilgerausweises erhalten Sie hier auch Ihre Pilgerurkunde.

Der Erzählung nach soll Kōbō Daishi einst seinen Stock in der Haupthalle des Tempels liegen gelassen haben; daher lassen auch viele Pilger zum Abschluss ihrer Reise ihren Stock hier. 

Autor : Brice Dondelinger

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