DANTE FOREVER

by Reesen Mag

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Vor 700 Jahren starb der große Dichter Dante Alighieri. Die Spuren seines Wirkens finden sich nicht nur in der Literatur. In Florenz wurde er geboren, am Gardasee bauen seine Nachfahren noch heute Wein an, in Ravenna fand er seine letzte Ruhe.

In der Versuchsküche duftet es nach ausgelassener Butter und Zwiebeln. Auf dem Speiseplan: Risotto all‘Amarone. Eine halbe Flasche des guten Rotweins findet dabei Verwendung. Der Schauplatz: ein Seitengebäude des vom ältesten Sohn Dante Alighieris erbauten Herrensitzes. Gäste des Weinguts bereiten hier unter Anleitung von Küchenchef Vitangelo Galluzzi das leichte Mittagessen zu. Der Reis köchelt zufrieden, Wein sprudelt in Gläsern. Dazu gibt es Information und Unterhaltung: Massimilla di Serego Alighieri, 39 Jahre alt, schwenkt tiefroten Amarone im Glas und plaudert aus der Familiengeschichte. Die direkte Nachfahrin Dantes leitet mit ihrem Vater, Graf Pieralvise di Serego Alighieri, das vierzehn Kilometer vom südöstlichen Ufer des Gardasees in Gargagnago gelegene Weingut. 

Ein Priester musste heiraten

Seit Dantes ältester Sohn Pietro das Weingut Casal dei Ronchi im Jahr 1353 kaufte, ist es im Besitz der Alighieris, erzählt Massimilla. Als im 16. Jahrhundert ein männlicher Nachfolger fehlte, zögerte die Familie nicht, den Priester Francesco Alighieri zur Aufgabe seines Amts zu bewegen und ihn zu verheiraten – der Fortbestand von Gut und Genen war wichtiger als der Dienst im Weinberg des Herrn. Doch gingen aus der Verbindung nur Töchter hervor. Bei ihrer Heirat mit Graf Serego Marcantionio im Jahr 1549 nahm die Erbin Ginevra Alighieri so den Doppelnamen Serego Alighieri an, den die Familie heute noch trägt. 

Noch immer besitzt sie auch das Weingut, zu dem Gästehaus und Profi-Küche gehören und das unter anderem den charaktervollen Amarone hervorbringt. 100 bis 120 Tage werden für ihn Trauben der Rebsorten Corvina, Rondinella und Molinara auf Bambusmatten unterm Dach luftgetrocknet, bis alles Wasser aus ihnen gewichen ist und Aroma und Süße hochkonzentriert sind. Produktion und Vermarktung aller Alighieri-Weine liegen indes seit den siebziger Jahren in den Händen des benachbarten Guts Masi, dessen Chef Sandro Boscaini als „Mister Amarone“ hier so bekannt ist wie im Rest der Welt Dante Alighieri. 

Arrivederci, Firenze

Der Dichter, Philosoph, Politiker und Autor der unsterblichen „Göttlichen Komödie“ wurde im Frühsommer des Jahres 1265 weit weg vom Gardasee in Florenz geboren. Mit seiner Frau Gemma hatte er vier Kinder: Pietro, Giovanni und Jacopo sowie Tochter Antonia. Alles schien bestens, bis er sich in den Auseinandersetzungen zwischen den aus den Parteien der Guelfen und Ghibellinen hervorgegangenen Splittergruppen verhedderte, 1302 in Abwesenheit des politischen Betrugs bezichtigt und für zwei Jahre verbannt wurde. Auch eine Geldstrafe brummte man ihm auf. Als er das Urteil nicht anerkannte, stellte man ihm für den Fall seiner Rückkehr den Tod auf dem Scheiterhaufen in Aussicht. Vor diesem Hintergrund hielt Dante es für ratsam, die Stadt nie mehr zu betreten – auch nicht, als man ihm 1315 gegen Bußgeld und öffentliche Entschuldigung eine Begnadigung anbot. Die Gattin blieb in Florenz, die Söhne mussten als Teenager ebenfalls ins Exil. 

Dante lebte unter anderem in Verona, Treviso und Ravenna, wo er am 14. September 1321 starb, nachdem er während einer Venedig-Reise wohl an Malaria erkrankt war. Sein Grabmal ist erhalten: In einem Kapellchen an der Außenmauer des einstigen Klosters San Francesco befinden sich seine sterblichen Überreste. Das ist deutlich mehr Dante, als Florenz für sich in Anspruch nehmen kann. Denn sein Geburtshaus hat nicht überdauert, Besucher müssen sich am Arno mit einem Denkmal auf der Piazza Santa Croce und dem Museum „Casa di Dante“ in einem Bau im Stil der Zeit begnügen. 

Olivenöl für die Fackel an Dantes Grab

Florenz übt sich daher in Demut. Jedes Jahr bringt eine Delegation am zweiten Sonntag im September ein Kännchen Olivenöl nach Ravenna, mit dem eine Fackel am Grab befeuert wird. Am selben Tag gedenkt auch Ravenna des Asylanten, dem die Stadt alljährlich von August bis Dezember Lesungen und Darbietungen widmet. Der 700. Todestag wird indes im ganzen Land begangen, wobei der Schwerpunkt am Ort des letzten Atemzugs in Ravenna liegt. Italiens Präsident Sergio Mattarella eröffnete die Feierlichkeiten bereits im September 2020 am frisch restaurierten Grabmal. Mit Ausstellungen, Konzerten und Aufführungen wird der Dichter gefeiert, bis im September 2021 ein Festakt auf der Piazza del Popolo und ein von Riccardo Muti dirigiertes Konzert den Schlusspunkt setzen. Am Gardasee wird unterdessen ein Buch über die Geschichte der Familie Alighieri im Valpolicella vorbereitet. 

Weinhügel bis zum Horizont

In seinem bewegten Leben war Dante nicht nur viel unterwegs – die Söhne meist im Schlepp -, er schrieb mit der Göttlichen Komödie auch das erste große Versepos in (alt-)italienischer Sprache. Man möchte wünschen, dass er ab und zu die Muße fand, bei einem Glas Wein die Landschaften zu genießen, die er bei den Stationen seines Exils kennenlernte. Im Valpolicella-Gebiet baute sein Sohn Pietro, der die Gegend aus den Veroneser Jahren des Exils kannte, das Haus, das noch heute das Zuhause der 21. und 22. Generation der Alighieris ist. Das milde Mikroklima zwischen Verona und Gardasee, das Wind und Winter jede Schärfe nimmt, mochte Dante Junior dazu bewogen haben, sich hier dem Weinbau zu widmen. Doch nicht nur Reben gedeihen hier prächtig. Von Buchsbaum gesäumte Rasenflächen, Zitronenbäume, Rosenbüsche und schlanke Zypressen schmücken das Anwesen. Jenseits des Gartens wogen Weinhügel bis zum Horizont. 

„Wir betrachten unser Land immer mit kritischen Augen, aber wenn wir mal einen Schritt zurücktreten und es dann anschauen, erkennen wir, dass es schön ist“, erklärt Raffaele Boscaini, Mitinhaber des benachbarten, 1772 gegründeten Weinguts Masi. Die Zeit des ersten Lockdowns gab ihm die Gelegenheit dazu. Besucher sehen schon auf den ersten Blick eine Landschaft von verführerischer Schönheit: wie mit dem Kamm gezogene Hügel, Olivenhaine, mittelalterliche Dörfer. Dass das von schützenden Bergen gerahmte Weinbaugebiet Valpolicella mit seinen zwanzig Dörfern noch immer aussieht wie gemalt, ist auch das Ergebnis intensiver Anstrengungen. „Heute gibt es keine Beton-Exzesse mehr“, erklärt Boscaini mit Blick auf die Bauwut der achtziger und neunziger Jahre. Lange habe man befürchten müssen, Verona würde sich beständig weiter ins Umland ausbreiten. 

Rettung einer himmlischen Landschaft

Massimillas Vater, Graf Alighieri, gründete daher früh im Jahrtausend die Initiative „SalValpolicella“ zur „Rettung des Valpolicella“, so der Name, um weitere Bautätigkeit zu stoppen und Verona in seine Grenzen zu weisen. „Wir sind sehr mit dem Land verbunden“, erklärt die Tochter. „Es ist unsere Verantwortung, es unversehrt an die nächste Generation weiterzugeben.“ Sie meint nicht das eigene Land, sondern die ganze Gegend: „Jeder Teil der Provinz hat seinen eigenen Charakter. Manche Ecken sind kaum besiedelt und sollen auch so bleiben.“ Massimillas Lieblingsort ist San Giorgio, ein acht Kilometer vom Gardasee gelegener mittelalterlicher Sprengel mit einem noch älteren langobardischen Kirchlein. Es war schon alt, als Dante Alighieri in dieser Gegend lebte.

Autor : Stefanie Bisping

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